28.02.2022

Equal Care Day - Frauen tragen die Hauptlast

Geteilte Sorge ist halbe Sorge. Schön wär's. Am Equal Care Day fragen wir, wie die Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern verteilt ist. Eines ist dabei klar: "Als Gesellschaft gewinnen wir, wenn wir Care-Arbeit gerecht verteilen", sagt Aysel Osmanoglu, GLS Vorständin für Mitarbeiterentwicklung, Infrastruktur und IT. 

Wie sieht die Realität aus?

In der EU kümmern sich erwerbstätige Frauen täglich 3,9 Stunden um ihre Kinder, pflegen Angehörige oder leisten Hausarbeit. Bei Männern sind es 2,9 Stunden pro Tag. Hat ein Paar Kinder und sind beide berufstätig übernimmt die Frau 5,3 Stunden Care-Arbeit, der Mann 2,4 Stunden (großzügig gerechnet entspricht das einem Verhältnis von 2:1). Das ist das Ergebnis einer Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE).

Der neue Gleichstellungsreport 2022 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung liefert genaue Zahlen zur Verteilung der Betreuungs- und Pflegezeiten in Deutschland. Das WSI befragte 6.500 Erwerbstätige und Arbeitssuchende  zum dritten Mal seit 2020. Die Corona-Pandemie wirkte sich deutlich auf die Verteilung der Care-Arbeit aus, zulasten der Frauen.

Frauen tragen bei der Kinderbetreuung die Hauptlast

Mütter betreuen Kinder deutlich häufiger und länger als Väter. Interessant, dass zu Beginn der Pandemie im April 2020 die Kinderbetreuungszeit bei den Vätern, die den größten Teil der Kinderbetreuung übernahmen, von 5 auf 13 Prozent zunahm. Bei den Frauen ging der Anteil von 62 auf 53 Prozent zurück. Im Juni 2021 betrug er dann jedoch 71 Prozent. Bei den Männern sank der Anteil derjenigen, die überwiegend die Kinder betreuten, wieder auf 7 Prozent. 

33 Prozent der Paare gaben für die Zeit vor der Corona-Pandemie an, die Kinder zu gleichen Teilen zu betreuen. Im Juni 2021 waren es 22 Prozent.

Wer betreut die Kinder mehr?*
  Frauen Männern gleich verteilt
vor Corona  62 5 33
April 2020 53 13 34
Juni 2021 71 7 22
*Kinderbetreuungszeiten von Paaren aus Sicht von Frauen in %, Quelle: WSI

Fazit: Die Coronakrise führte bei der Verteilung der Kinderbetreuungszeiten zu einer Verschlechterung für die Frauen.

Elterngeld für fast alle Mütter

Zwischen 2008 und 2020 haben 98 Prozent aller Mütter Elterngeld in Anspruch genommen. Väter deutlich weniger. Immerhin stieg ihr Anteil von 21 Prozent im Jahr 2008 auf 42 Prozent im Jahr 2018.

Ganztagsbetreuung gewünscht

Im Jahr 2020 ging fast jedes zweite Kind zwischen drei und sechs Jahren mindestens sieben Stunden in eine Krippe, einen Kindergarten oder einen Hort. Tendenz steigend. Allerdings kann der Bedarf an institutionellen Ganztagsbetreuungsplätzen nicht gedeckt werden. 48 Prozent der Eltern mit Kindern unter drei Jahren wünschten sich eine Ganztagsbetreuung.

Menschen ab 40 pflegen immer mehr

Fast jede*r elfte Erwerbstätige leistet zusätzlich zur bezahlten Arbeit auch unbezahlte Pflege in der Familie  und wie bei der Kinderbetreuung leisten Frauen mehr als Männer. Allerdings ist der Unterschied nicht so groß. Jede 10. Arbeitnehmerin und jeder 13. Arbeitnehmer versorgen eine pflegebedürftige Person. Ab 40 nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass Erwerbstätige auch Pflegeaufgaben übernehmen. Interessant dabei ist, dass bei den pflegenden Angehörigen unter 40 Jahren mehr Männer (4,9 Prozent) pflegen als Frauen (4,3 Prozent).

pflegende Frauen und Männer* in %
  Frauen Männer
unter 30 2,8 3,4
30 bis unter 40 5,5 6,3
40 bis unter 50 9,4 7,5
50 bis unter 60 15,3 12,4
alle abhängig Beschäftigten 9,9 7,6
*mehr als 10 Stunden wöchentlich abhängig beschäftigt, Quelle: WSI

Teilzeit

In Deutschland arbeiteten im Jahr 2019 in "Zwei-Verdiener-Paarhaushalten" mit Kindern unter 18 Jahren rund 67,7 Prozent der Frauen Teilzeit, während die Männer Vollzeit arbeiteten. Bei 26,7 Prozent arbeiteten beide Vollzeit. Bei Paaren ohne volljährige Kinder arbeiteten in 54,7 Prozent aller Fälle beide Vollzeit. Bei Teilzeit-Beschäftigten hat jede*r Neunte Pflegeverantwortung, egal ob Frau oder Mann.

Es liegt nahe, die Reduzierung der Arbeitszeit mit der Pflege und mit der Kinderbetreuung in Verbindung zu bringen. Wer Teilzeit arbeitet, dem droht die nächste Lücke: Teilzeit-Beschäftigte verdienen weniger und erhalten deshalb im Alter weniger gesetzliche Rente. Ein guter Grund, möglichst früh privat vorzusorgen.

Bezahlte Sorgearbeit

Noch ein Blick auf die sogenannten „Sorgeberufe”, das sind Berufe in den Bereichen Bildung, Erziehung, Pflege und Gesundheit. In der Erziehung und in medizinischen Gesundheitsberufen (Kranken-/Altenpflege, MTA, u.ä.) arbeiten über 80 Prozent Frauen. (Quelle: Statista). Beide Bereiche gehören nicht zu den bestbezahlten Berufsfeldern. 

Chancengleichheit in der GLS Bank

In der GLS Bank haben wir uns zu Chancengleichheit als konkretes Nachhaltigkeitsziel gesetzt. 2023 sollen die obersten drei Führungsebenen paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sein, den Gender Pay Gap möchten wir verringern, wir tun vieles für die Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben und sensibilisieren in Workshops für Diversität und Inklusion.

2021 arbeiteten 168 Frauen Voll- und 259 Frauen Teilzeit. Bei den Männern waren es 262 in Vollzeit und 72 in Teilzeit beschäftigt. Von den 61 Eltern in Elternzeit waren 37 Frauen und 24 Männer.

  Frauen Männer
Vollzeit 168 262
Teilzeit 259 72
Elternzeit 37 24

Auf der ersten Führungsebene, im Vorstand, haben wir das 50:50-Ziel bereits erreicht. Auf der zweiten Führungsebene arbeiten 31 Prozent Frauen, auf der dritten 45 Prozent (Stand 31.12.2021). Um die paritätische Besetzung der Führungspositionen zu erreichen, haben wir Ansprechpartnerinnen für höhere Führungspositionen, Mentoring sowie Erfahrungsaustausch und Netzwerkearbeit. 

Wie sieht es mit der Bezahlung aus? Der unbereinigte* Gender Pay Gap betrug 12 Prozent. Damit liegt er zwar deutlich unter dem durchschnittlichen Gender Pay Gap in der Finanzbranche (2020: 23 Prozent) und auch unter dem durchschnittlichen Gender Pay Gap in Deutschland (18 Prozent), doch unser Ziel für 2023 lautet. "Wir möchten unter 10 Prozent kommen." 

Als Indiz wie die Care-Arbeit unter den GLS Mitarbeiter*innen verteilt wird, haben wir ausgewertet, wer in den Familien die kranken Kinder betreut. 550 “Kinderbetreungstage” fielen 2021 insgesamt an. 139 Tage nahmen die Mitarbeiter in Anspruch, 411 die Mitarbeiterinnen, ein Verhältnis von 25 zu 75 Prozent.

Als nachhaltige Bank ist uns neben ökologischen und sozialen Aspekten Transparenz sehr wichtig. Deshalb berichten wir umfangreich über unsere Ziele, wie wir sie erreichen möchten und wo wir stehen. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Nachhaltigkeitsbericht 2020

Wie lässt sich die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit ändern?

Veränderte Arbeitszeitmodelle könnten dazu führen, dass Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen gleichmäßiger verteilt wird. Wenn die Wochenarbeitszeit zum Beispiel nur 32 Stunden betrüge, bliebe allen mehr Zeit, Sorgearbeit zu übernehmen. Arbeitgeber können mit flexiblen Arbeitsmodellen zum "Lückenschluss" beitragen. Genügend institutionelle Betreuungsplätze sind ein weiterer Faktor. Eine bessere Bezahlung für "Frauenberufe" würde den Reiz  – oder den Druck  , die Arbeitszeit wegen der Kinder zu reduzieren, verringern. Darüber hinaus fühlen sich Frauen auch in größerem Maße dafür verantwortlich, Dinge rund um die Familie zu organisieren. Sie spüren den sogenannten "mental load" deutlicher als Männer. Viele Menschen haben bewusst oder unbewusst  bestimmte Rollenbilder im Kopf, die ihr Verhalten und ihre Wahrnehmung prägen. Nicht zuletzt ist Equal Care auch eine Frage der Sichtbarkeit und der Wertschätzung. Wer sich um andere kümmert, verdient Anerkennung über punktuellen Beifall am Muttertag oder in Krisenzeiten hinaus. Es gibt noch viel zu tun, um die Lücke in Sachen Equal Care zu schließen.

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*Beim unbereinigten GPG wird die Differenz zwischen den durchschnittlichen Bruttoverdiensten von Frauen und Männern errechnet. Der unbereinigte GPG zeigt in absoluten Zahlen, wie viel weniger Geld Frauen haben – systemische und gesellschaftliche Faktoren wie Positionen und Wochenarbeitszeit fließen hier mit ein.

Quellen:

Statistisches Bundesamt

Gleichstellungsreport 2022