Waldorfverein Wilhelmsburg
Mutig sein und Neues wagen
Der Verein für interkulturelle Waldorfpädagogik Hamburg-Wilhelmsburg ist Experimente gewohnt. Eigentlich ist er an sich ein kleines Experiment. Gründungsmitglied Marie-Luise Sparka hatte in Hamburg bereits an einer Waldorfschule unterrichtet und zusammen mit einem Kollegen Projekte mit einer Partnerschule in Istanbul gestartet. Daraus entstand der Kontakt zu der Freien Interkulturellen Waldorfschule in Mannheim. „Und da haben wir gemerkt: Das braucht Hamburg auch“, so Sparka.
Die passionierten Pädagogen überlegten ganz genau, wohin sie mit ihrem Projekt gehen möchten. Und entschieden sich für Hamburg-Wilhelmsburg und bewusst gegen die grünen, gehobenen Gegenden der Stadt. „Am Anfang war überhaupt nicht klar: Was wird aus diesem Kindergarten. Waldorf ist ja für interkulturelle Eltern normalerweise ein absolutes Fremdwort“, erinnert sich Marie-Luise Sparka an die Anfangszeit.
Aus ursprünglich drei bis vier Kindern in der ersten Kindergartengruppe ist nun eine Kinderbetreuung geworden, die heiß begehrt ist. Demnächst sollen die Kapazitäten noch erhöht werden, um nicht mehr so viele Kinder abweisen zu müssen. „Denn gerade wenn die Eltern zu den sozial Benachteiligten gehören, fällt es besonders schwer, ein Kind nicht aufzunehmen“, beschreibt Sparka die Arbeit. Das Erfolgsrezept der interkulturellen Waldorfarbeit liegt darin, auf die Bedürfnisse der Menschen vor Ort einzugehen. So wird schon in der Kita z. B. eine alltagsintegrierte Sprachförderung angeboten. – Von einer gebürtigen Türkin. „Solche Dinge bilden einfach Vertrauen, das haben wir mittlerweile gemerkt“, erklärt Sparka.
Doch einige Jahre nach der Gründung 2009 stand der Verein vor einem neuen Problem: „Wohin sollten wir die Kinder schicken, wenn sie in die Schule mussten?“ Der Verein wollte eine eigene Schule gründen und ging auf die Stadt zu. Doch die Schulbehörde entgegnete mit dem ungewöhnlichen Vorschlag, man möge lieber zusammenarbeiten und das Beste aus den öffentlichen Schulen und der Waldorfpädagogik miteinander verbinden.
Nachdem sich die Lehrerinnen und Lehrer der Ganztagsschule Fährstraße in einer Abstimmung für diese Zusammenarbeit ausgesprochen hatten, konnte ein auf acht Jahre angelegter Schulversuch beginnen. So werden die Kinder der neu eingeschulten drei Klassen bereits seit den Sommerferien nach Waldorfgesichtspunkten unterrichtet. Das Konzept, dessen Vorbild die vor 62 Jahren gegründete Albert-Schweitzer-Schule in dem Hamburger Stadtteil Klein Borstel ist, soll sukzessive ausgebaut werden, um die soziale Durchmischung in der Hansestadt zu fördern.
Stand: Oktober 2014