Kilian und Close

Vegane Schokolade aus Rostock

Wie kommt man auf die Idee, vegane Schokolade zu produzieren? „Das war purer Egoismus“, lacht Ciarán Seán Close, als ich ihm zur Eröffnung meines Interviews mit der Frage um die Ecke komme. „Wir sind beide Veganer und wollten eine gute Alternative herstellen, da es diese auf dem Markt noch nicht gab.“

Iveta Kilianova und Ciarán Seán Close haben gemeinsam das Unternehmen Hover Chocolates GmbH gegründet. Von ihren Nachnamen leitet sich der Name ihrer Schokolade ab: „Kilian und Close“.

Ein langer Weg vom Rohkakao zur fertigen Schokolade
Die in Rostock produzierte Schokolade durchläuft einen langen Produktionsprozess, bis sie in den Regalen von Feinkostläden, Biomärkten und veganen Geschäften landet. Der Rohkakao kommt fermentiert und getrocknet in Rostock an. Dann wird er von Hand sortiert: Zerbrochene, unfermentierte oder flache Bohnen (Bohnen ohne Inhalt) sowie angegriffene Bohnen (zum Beispiel durch Insektenbefall) werden entsorgt. „Zur Sortierung eines 50-Kilo-Sacks brauchen wir einen Tag“, erklärt Close. Die Hitze verteilte sich ungleichmäßig, würden die Bohnen nicht sortiert.

Der nächste Schritt besteht in der Röstung: Da die Kakaobohnen, die von den Kooperativen geliefert werden, von unterschiedlichen Bauern stammen und es sich zudem um ein Naturprodukt handelt, das in seiner Größe variiert, muss das Röstprofil an die jeweilige Ernte angepasst werden. 10 bis 30 Kilogramm werden auf einmal bearbeitet. Danach werden die Bohnen im Kühlkarussell heruntergekühlt und gelangen in den Schalenbrecher, eine Walze, die dafür sorgt, dass kleinere Schalenstücke durch ein Abluftrohr gesaugt werden können. Die zerbrochenen, schweren Bohnenstücke ohne Schale heißen Nibs und fallen in ein Gefäß. Wenn der Kakao komplett zerbrochen ist, werden verbliebene, schwerere Bohnenschalen noch einmal händisch aussortiert. Das dauert wiederum ein paar Stunden, erst dann kann die Schokolade hergestellt werden.

Die Nibs kommen zuerst in den Melanger. Das ist eine Conchiermaschine, ein großer Topf, der 80 Kilogramm fasst. Obwohl sie trocken aussehen, verwandeln sich die Stücke nach 20 Minuten aufgrund des hohen Fettanteils (40-60 %) in eine zähflüssige Kakaomasse, die in der Fachsprache „Kakaolikör“ heißt. Zwischen 12 Stunden und einem Tag wird diese Masse anschließend gemahlen, bis eine feine, flüssige Kakaomasse entsteht. Erst dann kommen je nach Schokoladensorte andere Zutaten hinzu.

Im Gegensatz zur Massenindustrie, die für drei Prozesse drei Maschinen verwendet, übernimmt bei Hover Chocolates der Melanger diese Schritte alleine: Schwere Granitsteine mahlen die Masse und rühren sie kontinuierlich um. Die Schokolade ist zwischen vier und fünf Tagen im Topf. „Für die Dauer sind unterschiedliche Faktoren ausschlaggebend: Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Art des Hineinschüttens oder Fettanteil der Kakaobohnen.“ In der Massenindustrie befindet sich die Schokolade nur einen Tag im Melanger und ist danach bereit zum Tempieren. Erst durch dieses kontrollierte Abkühlen der Schokolade bildet sich die richtige Kristallstruktur. Sonst würde die Schokolade krümelig, wäre nicht haltbar, knackte nicht so schön und bildete keinen guten Schmelz. „Den Grauschleier auf manchen Schokoladen kennen die meisten von uns. Er entsteht, wenn eine Schokolade bereits einmal geschmolzen ist. Die Schlieren sind zwar nicht giftig, aber der Geschmack verändert sich zum Negativen. Beim genussvollen Verzehr einer hochwertigen Schokolade schmeckt man das besonders“, so Close. Zartbitterschokolade reift bei Hover sogar zwei Wochen, bis sie bereit zum Tempieren ist. Dann wird ein weiterer Tag für den Tempierprozess benötigt.

Nicht nur der Produktionsprozess der Schokolade ist nachhaltig, auch die Verpackung ist biologisch abbaubar. Eine Maschine schweißt sie in eine Nature Flex-Folie ein, die aussieht wie Plastik, aber heimkompostierbar ist. Zum Schluss wird die Schokolade in eine Schachtel verpackt, bekommt ihr Etikett und einen Stempel. Endlich ist sie bereit für den Verkauf im Einzelhandel.

Sortieren und langsames Herstellen erhöhen die Qualität
Mich interessiert, welche weiteren Unterschiede im Produktionsprozess zur Massenindustrie bestehen. „Dort werden die Bohnen nicht sortiert. Zudem sind jeweils drei Prozent schimmelige, un(ter)fermentierte, von Insekten befallene oder gekeimte Bohnen zugelassen. Das macht im schlimmsten Fall neun Prozent des Kakaobohnenanteils aus. Selbst dann kann der restliche Anteil nur zu 80 Prozent aus perfekt fermentierten Bohnen bestehen“, so Ciarán Close. All diese Faktoren mindern den Geschmack. „Aber der Kakaoanteil ist in der Massenproduktion so gering, dass das irrelevant ist“, fügt er hinzu. Kilian und Close verwenden sehr feinen Kakao von kleinen Kooperativen aus Süd- und Mittelamerika, keinen Massen- und Konsumkakao aus Westafrika.
Bei großen Herstellern wird die Schokolade fast gekocht- einer der vielen Faktoren, weshalb sie innerhalb kürzerer Zeit (ein bis zwei Tage) fertig ist. „In Deutschland existieren nur wenige Bean-to-Bar-Hersteller“, ergänzt Ciarán Close. „Die meisten Schokoladenproduzenten verwenden keine rohen Bohnen, sondern fordern einen Tanklaster mit fertigem Kakaolikör an und mischen diesen mit Zucker und Milchpulver.“

Transparenz des Anbaus von Kakaobohnen ist bei kleinen Herstellern gegeben
Wie aber können die Schokoladenproduzenten nachweisen, dass die Schokolade fair produziert wurde? Bestehen persönliche Kontakte zu den Bauern in den Anbaugebieten? „Zuerst einmal erkundigen wir uns über Bio- und Fairtrade-Datenbanken. Danach holen wir Referenzen ein.“ Kilian und Close möchten sich vom Kakaotourismus abgrenzen. Diverse Schokoladenhersteller lassen sich mit Bauern ablichten, damit es so scheint, als wüssten sie genauestens über den Ernteprozess Bescheid. Jedoch wird in den vorgeführten Fällen meistens nicht die Realität abgebildet; man präsentiert anstelle dessen nur die Anbaugebiete, die sich sehen lassen können. „Die Kakaoindustrie ist bei kleineren Herstellern sehr transparent, es existieren keine unentdeckten Kakaoplantagen. Zudem wurden die Bauern, die mit Hover Chocolate kooperieren, bereits mit einem Transparency Report durchleuchtet, was eine weitere Bewertung überflüssig macht.“

Keine „Weltverbesserungsschokolade“
Mit ca. 6 Euro pro Tafel gehört Hover ins Hochpreissegment, was sich durch den aufwendigen Produktionsprozess erklärt. Dass sie Bio und Vegan ist, hat die Schokolade in erster Linie dem Lebensstil ihrer Produzenten zu verdanken. „Wir wollen nicht mit den Weltverbesserungsschokoladen, die sich ganz groß auf die Fahne schreiben, Fairtrade zu sein, in einen Topf geworfen werden“, betont Close. „Wenn man strikt die Welt verbessern möchte, darf man keine Schokolade essen.“ Denn allein schon die Beschaffung der Rohstoffe aus weit entfernten Ländern widerspreche dem grundlegend.

Die Schokolade, die alles kann
Die Kundschaft von Hover besteht aus bewussten Genießern, die für den Geschmack gerne mehr zahlt. Kilian und Close wird auch als Alleskönner-Schokolade bezeichnet, weil es sich um eine hochwertige Edelschokolade handelt, die dazu noch auf Kuhmilch verzichtet.

Die Schokolade wird europaweit vertrieben; in Irland, England, Tschechien, Österreich und der Schweiz. Interessant ist auch, dass 95 Prozent der Kundschaft aus Nicht-Veganern besteht.

Die Hover-Schokolade wurde 2016 von der der Londoner Academy of Chocolate ausgezeichnet, die jährlich die weltweit besten Schokoladen kürt. Kilian und Close haben ihre Schokolade eingereicht, „…einfach um ein Feedback zu erhalten, was man noch besser machen kann.“ Von fünf Schokoladen erhielten alle eine Medaille. Closes Fazit: „Eine schöne Bestätigung.“

Text: Marie-Christin Graener
Fotos: Daniel Roeschies (Roeschcom)
Aufgenommen bei Feinkost Feuerstein Bochum (Nadine Bergmann-Feuerstein beim Verkauf)

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