Refugee Law Clinics Abroad

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Recht für Geflüchtete

Wenn Geflüchtete Asyl suchen, muss oft innerhalb kürzester Zeit ein Antrag gestellt werden. Doch das deutsche und das europäische Asylrecht sind nicht einfach zu verstehen. Gut, wenn einem dabei jemand mit Rat zur Seite steht.

Auf der griechischen Insel Chios bietet der Verein Refugee Law Clinics Abroad Geflüchteten kostenlosen Rechtsbeistand an. Auf der kleinen Insel in der östlichen Agäis befindet sich einer der fünf EU-Hotspots, in dem Geflüchtete darauf warten, dass über ihre Weiterreise auf das europäische Festland oder ihre Zurückweisung in die Türkei entschieden wird. Wir sprachen mit Robert Nestler, der für vier Monate als Koordinator vor Ort ist. Mit ihm arbeiten noch vier freiwillige Juristen*innen und drei festangestellte Übersetzer*innen für die RLCA.

Wie ist die Situation für Geflüchtete im Lager?

Im Vergleich zum Jahresanfang kommen wieder mehr Menschen an. Das Lager ist für 1.100 Menschen vorgesehen, jetzt (Anfang Juni 2018) leben hier ungefähr 1.800 Menschen. Die Kapazitätsgrenzen sind überschritten. Männer, Frauen und Kinder leben in Zelten oder Containern, manche sind komplett ohne Unterkunft und übernachten auf der Straße, auch Familien, bei denen beide Eltern mitgekommen sind. Besonderen Schutz und deshalb eine besondere Unterbringung gibt es für allein reisende Kinder, einzelne Elternteile mit ihren Kindern, Schwerkranke und Schwangere. Aber auch sie wohnen weiterhin im Camp. Die griechische Armee versorgt die Menschen eher ausreichend als gut mit Lebensmitteln.

Was tun Sie für die Menschen im Hotspot?

Wir verstehen uns als europäisches Solidaritätsprojekt. Gegenüber der Übermacht europäischer Behörden vor Ort möchten wir so etwas wie „Waffengleichheit“ auf der rechtlichen Ebene schaffen. Die Geflüchteten haben wenig bis gar keine rechtlichen Vertreter*innen auf Chios. Konkret bieten wir Rechtsberatung an, bereiten auf Anhörungen vor und begleiten diese auch, wir helfen in Einzelfällen bei der Vermittlung von Arzttermine und kümmern uns um psychologische Bewertungen. Besonders wichtig ist uns die Familienzusammenführung von Geflüchteten mit ihren Angehörigen in anderen EU-Ländern. Wir veröffentlichen aber auch wissenschaftliche juristische Beiträge, denn noch gibt es nicht viele Gerichtsurteile, an denen man sich orientieren kann. Zusammen mit anderen Nichtregierungsorganisationen und Akteuren im Flüchtlings- und Asylrecht möchten wir einen koordinierten Ansatz für die Familienzusammenführung in Europa entwickeln.

Welche Probleme haben Sie bei Ihrer Arbeit?

Refugee Law Clinics Abroad Dublin IIINach beinahe zwei Jahren haben wir auf Chios einen guten Draht zu den örtlichen Behörden. Wir arbeiten auch mit griechischen Rechsanwält*innen und anderen Hilfsorganisationen vor Ort zusammen. Das größte Problem ist zurzeit der Zuzug nach Deutschland. Aufgrund der Verteilung der Geflüchteten haben wir hier viele Fälle. Deutschland hat in den beiden letzten Jahren seine Anerkennungspraxis bei der Familienzusammenführung extrem verschärft. Gesuche werden häufig aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Da greifen wir dann mit rechtlichen Mitteln ein. Zusammen mit Pro Asyl und dem Bundesfachverband für Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (BUMF) haben wir dazu auch schon Schreiben an das Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) verfasst. Positiv werten wir, dass es bei der Familienzusammenführung in Europa nach der Dublin Verordnung keine Obergrenze gibt, wie sie jetzt im Gespräch für die Zusammenführung von Angehörigen in Deutschland mit Menschen im außereuropäischen Ausland diskutiert wird.

Ist Ihre Arbeit erfolgreich?

Ja, auf Chios haben wir durch unseren rechtlichen Beistand für Geflüchtete ein Gegengewicht zu den europäischen Institutionen geschaffen. Ein bisschen werden wir sogar als Kontrollinstanz wahrgenommen. Bisher konnten wir rund 1.200 Menschen helfen.

Wie sieht eine gute Rechtsberatung für Geflüchtete aus?

Wer einen Hotspot schafft und viele europäischen Beamte dorthin schickt, um Asylverfahren schnell durchzuführen, muss auf der Seite der Geflüchteten ein Gleichgewicht schaffen, z. B. eine kostenlose Rechtsberatung. Diese Aufgabe sollte nicht auf NGOs abgewälzt werden, denn so wird der Zugang zum europäischen Asylrecht zur Ressourcenfrage.

... auch zur Geldfrage?

Die RLCs arbeiten kostenfrei. Es gibt viele abgelehnte Fälle, die wir nicht betreuen. Wenn die betroffenen Menschen dann keinen Anwalt haben, hat sich der Fall erledigt, egal ob die Ablehnung rechtswidrig ist oder nicht. Das kann eine Geld-, aber auch eine Zugangsfrage sein. Wer anwaltlich beraten wird, hat einen klaren Vorteil gegenüber Menschen ohne Anwalt.

Wie kommen die Geflüchtete zu Ihnen?

Die Menschen finden über Mund-zu-Mund-Propaganda zu uns. In einem Netzwerk von Anwält*innen sind wir die einzigen mit dem Schwerpunkt Familien. Zwei bis drei Tage sind wir im Camp, wir haben aber auch ein Büro in der Stadt und Sprechzeiten an verschiedenen Orten.

Wer arbeitet bei den RLCA?

Wer bei uns arbeiten möchte, muss bereits im Asylrecht tätig gewesen sein und ein Bewerbungsverfahren durchlaufen. Die Qualität der Beratung ist uns sehr wichtig. Verhandlungssprache ist Englisch. Unter unseren freiwilligen Helfer*innen sind viele Studierende aus Deutschland und aus dem europäischen Ausland. Außerdem arbeiten bei uns Anwält*innen, Richter*innen und Menschen von anderen Organisationen und erfahren so, wie das gemeinsame europäische Recht in anderen Staaten angewandt wird.

Wie finanzieren Sie sich?

Wir erhalten Großspenden von der evangelischen Kirche in Deutschland, von Brot für die Welt und von der UNO Flüchtlingshilfe, aber auch kleinere Spenden.

Wie kann man Sie unterstützen?

Wir benötigen viel Büroausstattung, z. B. funktionstüchtigen Scanner oder Drucker. Uns helfen auch kleinere Beträge unsere Arbeit aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Im Moment kommen auch viele Gerichtsverfahren in Deutschland auf uns zu, wo wir und unsere Kooperationsanwält*innen an Kapazitätsgrenzen stoßen und wir unser Team gerne vergrößern würden.

Und ganz wichtig: Das Wort teilen und für unsere Arbeit werben!
 

Info
Von Januar bis Dezember 2017 wurden 186.644 Asylsuchende oder Geflüchtete in Deutschland registriert. Die meisten der Antragstellerinnen kamen aus Syrien, Afghanistan und Irak.

RCLA hat zusammen mit der Diakonie eine Broschüre zur Familienzusammenführung nach der Dublin Verordnung veröffentlicht.


Fotos: RLCA

 

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